Triggerpunkte und Myofasziales Schmerzsyndrom – Literatur
„Muskuläre Triggerpunkte sind eine der wichtigsten Ursachen von Schmerzen. Bestehen Triggerpunkte über eine längere Zeit kommt es über die eingeschränkte Beweglichkeit und Funktion der Muskeln zu komplexeren Schädigungen.“
Der Begriff „Myofasciale Schmerzen“ bezieht sich auf Schmerzen, die durch Muskeln und ihre Umhüllungen, den Fascien, verursacht werden. Die seltenen entzündlichen Muskelerkrankungen, nachweisbar an der Erhöhung von Muskelenzymen im Blut, sind nicht in den Begriff mit eingeschlossen. Myofasciale Schmerzen sind teils eine „Zivilisationskrankheit“ , da sie auch durch mangelnde oder statische Beanspruchung der Muskulatur entstehen, wie z.B. vor dem Computer. Sie können aber auch entstehen, wenn die Funktion der Muskulatur nach einer Verletzung über einige Zeit gestört ist.
In der Orthopädie wurden vor allen Gelenke und die Bandscheibe als Ursache von Schmerzen gesehen. Die Erkenntnis das Schmerz in Muskeln entstehen und auch über den Muskel behandelt werden kann ist das Merkmal der Myofascialen Schmerzmedizin. Hierbei wird die Wechselbeziehung zu Gelenken und der Bandscheibe nicht verdrängt, da falsche Bewegungsmuster durch „verspannte“ Muskeln auch Gelenke und Bandscheiben langfristig schädigen.
Der Triggerpunkt befindet sich in einem tastbaren harten Strang innerhalb des Muskels und weist eine deutliche Überemfindlichkeit auf. Durch Druck kann der Schmerz des Patienten reproduzieren werden. Der Schmerz kann lokal oder an einer weiter entfernten Stelle empfunden werden. Muskeln des Schultergürtels oder des Beckens können so für Schmerzen im Arm oder Bein verantwortlich sein.
Diese „idealtypische“ Beschreibung trifft auf einige gut tastbare Muskeln wie den Musculus infraspinatus am Schulterblatt zu, bei anderen tief gelegenen kleinen oder sehr großen Muskeln hilft nur die klinische Erfahrung.
Bei länger bestehenden muskulären Hartsträngen kommt es zu Ansatzveränderungen des Muskels oder seiner Sehne am Knochen. Im Bereich des Beckens sind diese typischerweise am hinterem Darmbeinstachel oder am großen Rollhügel des Oberschenkels zu finden. Im Bereich der Halswirbelsäule am Schädelhinterhaupt und an den Schulterblättern. Akut entwickeln sich auch sehr schmerzhafte Bursen/Schleimbeutel am Muskelüberlappungen oder „entzündete“ Gleitschichten (teils unter dem Trapzius im Sono sichtbar). Diese müssen bei jeder Schmerzbehandlung immer mitbehandelt werden.
:: Janett Travell und David Simons
Eine Beschreibung fast aller Muskeln und ihrer Ausstrahlungsmuster wurde durch Frau Dr. Travell und Herrn Prof. Simons veröffentlicht. Sie beschreiben die jeweilige Anatomie des Muskels, die verschiedenen Triggerpunkte (es gibt oft mehrere in einem Muskel) und die dadurch ausgelösten Schmerzphänomene und vegetativen Symptome (auch Gefühlsveränderungen gehören dazu). Wichtig ist die Beschreibung der Entstehung der Triggerpunkte durch typische Überlastungen oder Verletzungen. Diese helfen bei der Prävention eines erneuten Auftretens.
Frau Dr. Travell beschrieb die ersten Triggerpunkte während sie in den 1950er Jahren in einer Lungenklinik arbeitete. Durch das wiederkehrende Husten entwickelte die Atemhilfsmuskulatur der Patienten Triggerpunkte, die oft nur unzureichend durch Schmerzmittel zu beherrschen waren. Sie entwickelte Dehnungstechniken (unter Anwendung von Kältespray) für die entsprechenden Muskeln und die Infiltration der Triggerpunkte mit einem Lokalanästhetikum. Das ursprünglich verwendete Kältespray ist heute aus Klimaschutzgründen korrekterweise nicht mehr erhältlich. Die Injektionsmethoden wurden teils abgeändert (z.B. Dr Fischer, M.D.) und auch durch neuere Studien vielfach geprüft.
In Versuchen stellte sich heraus, dass auch das Nadeln allein zur Veränderung des Triggerpunktes ausreicht, das so genannte DDN, deep dry needling, mit Akupunkturnadeln. DDN kann sehr wirksam sein, ist aber gleichzeitig auch sehr schmerzhaft und deswegen nur in individuellen Fällen hilfreich. Oft wissen die Patienten schon das Ihnen DDN hilft und kommen mit dem speziellen Wunsch.
Die Anwendung einer Infiltration mit Lokalänastetika oder, bei schmerzhaften Bursen, unter Zusatz eines Cortidoides kann den Schmerzverlauf oft besser beeinflussen, vor allen wenn gleichzeitig die Fehldurchblutung des Muskels durch Anwendung einer Stoßwelle verbessert wird.
Mittelfristig bewirken Injektionen mit Lokalanästhetika unter Glucosezusatz und Stoßwellen eine lokale Regeneration der Gewebe. Auch hier ist wieder die Kombination mit zusätzlich Bewegungsübungen des Muskels effektiver als die Spritze alleine.
:: C. Chan Gunn – Intramuskuläre Stimulation
Das „dry needling“, die Akupunktur, von Muskeln und ihren Ansätzen, wird ausführlich von Gunn in seinem Buch „Die Behandlung chronischer Schmerzen. Intramuskuläre Stimulation zur Behandlung myofascialer Schmerzen radikulopathischer Genese“ dargestellt. Da die Nadeln tief eingestochen werden, um alle Muskelschichten zu erreichen, ist das Verfahren auch als deep dry needling bekannt geworden.
Gunn hat an einer großen Schmerzklinik gearbeitet und Behandlungsergebnisse seiner Technik durch verschiedene Studien dokumentiert. Eine Besonderheit ist das sehr systematische Vorgehen im Bereich der Wirbelsäule, welches die einzelnen Muskelschichten und die kleine segmentale Muskulatur betrifft. Die Muskulatur wird durchsucht.
Gunn vertritt die Ansicht das Schmerzen durch eine Veränderungen des Wirbelsäulennerves ausgelöst werden – die Radikulopathie. Zeichen der durch Radikulopathie ausgelösten Nervenveränderungen sind klinisch im Segment nachweisbar in der Reaktion der Haut und des Unterhautgewebes auf Reize. Die Radikulopathie ist über eine Nadelung der segmentalen Muskulatur der Wirbelsäule behandelbar.
:: Beat Dejung – Manuelle Therapie
Beat Dejung ist ein Schweizer Rheumatologe, der sich intensiv mit myofaszialen Schmerzen auseinandergesetzt hat. Dabei hat er in der Praxis gearbeitet, also ein ganz normales orthopädisch-rheumatologisches „Krankengut“ behandelt. Mit seinen Kollegen hat er ein Buch über manuelle Triggerpunkttherapie veröffentlicht. Dieses Buch stellt auch die Basis für die IMTT (Interessengemeinschaft Myofasciale Triggerpunkttherapie) der Schweiz da.
Das Buch ist für mich wichtig, weil die Bedeutung der muskulären Triggerpunkte in Bezug zu orthopädischen Diagnosen, wie einer Arthrose der kleinen Wirbelgelenke oder einem Impingementsyndrom der Schulter erfolgt. Dies ist in der Literatur nicht selbstverständlich, aber wichtig, um zu erkennen, welchen Anteil der triggerpunktbedingte Schmerz hat. Chancen der Triggerpunkttherapie können genutzt, Enttäuschungen vermieden werden.
Das Buch beschreibt die von Dejung und seinen Kollegen festgestellten Schmerzmuster ähnlich zu Travell und Simons. In den Behandlungstechniken geht es aber darüber hinaus, weil sich mit der reinen Dehnung (Spray and Stretch Technik) oft nur unzureichende Erfolge erzielen ließen. Der Triggerpunkt wird mit der Zeit in eine Bindegewebsverhärtung eingebaut und ist dort vor Dehnung gut geschützt. Er kann nur mit sehr zielgenauen und „kraftvollen“ Techniken erreicht und aufgelöst werden. Diese werden im Buch und in Kursen der IMTT vermittelt.
In den letzten Jahren sind die Triggerpunkttechniken auch unter Physiotherapeuten sehr populär geworden, weil vielen Patienten damit geholfen werden kann. Es gibt leider vereinzelt auch sehr „stark“ durchgeführte Triggerpunkttherapien, die nicht immer hilfreich sind und teils zu einer deutlichen Verschlechterung führen. Grund hierfür ist, dass der Schmerz im Muskel nicht rein mechanistisch gesehen werden kann. Der Muskel kann nur über vielfache neurologische Verknüpfungen mit dem Gehirn seine Funktion erfüllen. So kann halt auch ein Schmerz bei einer zu starken Behandlung verstärkt werden. Am besten schützt davor ein wenig Geduld, da dann die Stärke der manuellen Behandlung bzw. der Akupunktur vorsichtig auf das individuelle nützliche Niveau aufgebaut werden kann.
:: Leon Chaitow und Judith de Lany – Neuromuskuläre Osteopathie
Ein anderer Zugang zu muskulären Triggerpunkten besteht über die neuromuskuläre Osteopathie. Die „altenglische“ Technik von Chaitow und der „amerikanische“ Weg von Judith de Lany werden beschrieben in ihrem Buch „Neuromuskuläre Techniken“. Unter Aufbringen eines Gleitmittels (ich nehme meist Traumeel Salbe) wird mit dem Daumen beim in Bauchlage befindlichen Patienten ein Strich entlang den Muskelfascien der Wirbelsäule durchgeführt. Hierbei achtet der Therapeut auf Verquellungen und Widerstände und wiederholt in diesen Bereichen die langsame Gleittechnik. Durch stärkeren Druck können wiederum dem Patienten bekannte Schmerzphänomene ausgelöst werden. Chaitow kombiniert dieses sehr wirksame Verfahren mit Muskelenergie- oder Strain Counterstraintechniken aus der Osteopathie. Ich „benutze“ die Punkte meist weiter für eine Akupunktur und setzte dann im Anschluss eine myofasziale Dehntechnik ein.
:: Dr. Gleitz und Dr. Hornig – Stoßwellentherapie von Triggerpunkten
Von der Akademie Deutscher Orthopäden werden Seminare zur Stoßwellentherapie von Triggerpunkten angeboten. Diese werden von Dr. Gleitz, Luxemburg, und Dr. Hornig, Saarbrücken, durchgeführt. Weitere Treffen finden jährlich auf dem Süddeutschen Orthopädentag in Baden Baden statt. Die Lokalisation der Triggerpunkte beruht auf der Darstellung von Travell und Simons. Aufgrund der Eigenschaften der radialen Stoßwellen mit einer Schalltiefe von 2 bis 4 cm und einer Frequenz von 15/sec kann eine Behandlung auch großflächiger Muskeln – z.B. der Kapuzenmuskel Trapezius bei Halswirbelsäulenschmerzen – oder großen und dicker Muskeln, z.B. des Gluteus medius bei Beschwerden der Lendenwirbelsäule erfolgen.
Dr. Gleitz hat zwei Praxisstudien durchgeführt in dem er die Erfolgsaussichten, aber auch die schwierig zu behandelnden Veränderungen beschreibt. Eine Besserung der Beschwerden konnte bei 80% der Patienten in 4 bis 8 Behandlungen erreicht werden. Bei größere statische Probleme, akut entzündlichen Veränderungen der Wirbelsäulengelenke oder aktivierten Arthrosen der Hüftgelenke konnte allenfalls eine vorübergehende Besserung durch die Triggerstoßwellentherapie erreicht werden.
Dr. Hornig ist Orthopäde und Ausbilder in Osteopathie. Er legt seinen Schwerpunkt auf die Beschreibung und Behandlung von Muskelketten und den damit einhergehenden Haltungsveränderungen. Er bezieht sich hier insbesondere auf das Buch von Thomas Myers „Anatomy Trains“.
Eine der besten Zusammenfassungen über das MYOFASZIALEN SCHMERZSYNDROMi m engerem Sinne ist in englischer Sprache in den Annals der Academy of Medicine of Singapore erschienen von Dr. Eng Ching Yan.
Besprochene Bücher:
Simons DG, Travell JG, Simons LS. Band 1: Obere Extremität, Kopf und Thorax. München [u.a.]: Urban und Fischer; 2002.
Travell JG, Simons DG. Band 2: Becken und untere Extremität. München [u.a.]: Urban und Fischer; 2000.
Gunn CC. Die Behandlung chronischer Schmerzen nach Gunn. Uelzen: Med.-Literarische Verl.-Ges; 1999.
Dejung B. Triggerpunkt-Therapie. Bern [u.a.]: Huber; 2003.
Gleitz M. Die Bedeutung der Triggerstosswellentherapie in der Behandlung pseudoradikulärer Cervikobrachilagien – Vortrag 53. Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden e.V. Baden-Baden; 2005.
Gleitz M. Grenzen der Trigger-Stosswellentherapie bei der pseudoradikulären Lumboischilagie – Vortrag 53. Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden e.V. ; 2005.
Myers TW. Anatomy Trains. München: Elsevier, Urban und Fischer; 2004.
Chaitow L, DeLany J. Neuromuskuläre Techniken in der manuellen Medizin und Osteopathie. München [u.a.]: Urban und Fischer; 2002.